Die evangelische Stadtkirche Zum Heiligen Geist in Nidda
Die evangelische Kirche in Nidda wurde in den Jahren 1615 bis 1618 erbaut. Sie ersetzte die kleine Kapelle auf dem Marktplatz, die im Winter 1614/1615 wegen Baufälligkeit abgebrochen worden war.
Seit jeher wird sie als Stadtkirche bezeichnet, da sie innerhalb der Stadt errichtet wurde, anders als die Johanniterkirche, die außerhalb der Mauern der Stadt lag.
Die Stadtkirche war von Anfang an evangelisch und als Zuhörerkirche konzipiert. Sie wurde daher auch nicht nach einem Heiligen benannt. Am 03. Mai 1618 wurde sie eingeweiht und erhielt den Namen „Zum heiligen Geist“. Sie ist die älteste Saalkirche in Hessen.
Sie ist äußerlich eher ein schlichter Bau mit einem Langhaus von gut 20 Meter Länge und einem hohen, steilen schiefergedeckten Dach. Der Turm, der sich im Süden ans das Kirchenschiff anschließt, ist gedrungen und etwas niedrig geraten, was auf Schwierigkeiten während des Baus zurückzuführen ist. Die Fenster der Kirche sind rechteckig, nur am Turm in der oberen Reihe weisen sie Rundbogen auf. Zwei Renaissanceportale, der Haupteingang an der Stirnseite und Ostportal an der Längsseite, sind reich mit Ornamenten versehen.
Der Besucher, der die Kirche zum ersten Mal betritt, ist beindruckt von der Weite und Helligkeit des Innenraums. Der Blick wird auf den mächtigen Triumphbogen gelenkt und in den daran anschließenden hellen Chorraum, in dem Altar und Kruzifix im Zentrum stehen. Die seitlichen Emporen betonen die Längsachse des Raumes und führen das Auge in Richtung Altar und Kruzifix. Gekrönt wird der Saal von einer prächtigen Stuckdecke aus dem Jahre 1616, die durch vier starke Eichensäulen gestützt wird.
Die Decke ist gegliedert in verschiedene geometrische Felder. In der Mitte sieht man die farbenprächtigen Wappen der beiden Stifter, das des Landgrafen Ludwig des V. und das seiner Gemahlin Magdalena von Brandenburg. Sie werden umrahmt von den kreisförmigen Umschriften: SACRA DEO DOMVS HAEC LVDOVICO PRINCIPE FACTA EST HANC VT ET HVNC DEXTRA PROTEGE CHRISTE TVA (Dieses gottgeweihte Haus ist unter dem Landgrafgen Ludwig erbaut worden. Christus schütze es und ihn mit deiner Rechten) und MAGDALIS ILLVSTRIS LVDOVICI PRINCIPS VXOR BRANDENBVRGIACO STEMMATE NATA FVIT (Magdalena, des erlauchten Landgrafen Ludwig Gemahlin ist geboren aus brandenburgischem Geschlecht) (Übers. v. Dr. Kraft). In vier Feldern, zwei vor und zwei hinter den landgräflichen Wappen sind jeweils ein vergoldeter Pelikan mit seinen Jungen und daneben ein goldener Doppeladler mit farbiger Krone dargestellt. Der Pelikan ist umgeben von der Inschrift 1616 MORTVOS VIVIFICO (Die Toten mache ich lebendig) und steht für die sich selbst aufopfernde Liebe Christi. In dem Doppeladler sieht man das Sinnbild göttlicher Begeisterung des Evangelisten Johannes (Dr. Kraft) oder das Symbol des Reiches (Marquardt).
Die Decke wurde 1985 restauriert und erhielt dabei wieder ihre ursprüngliche Farbtönung. Auch Wände, Holzsäulen und Emporenbrüstung haben wieder das gleiche Aussehen wie bei der Einweihung der Kirche im Jahre 1618. Eine erneute Sanierung des Gebäudes wurde 2008/09 notwendig. Nach umfangreicher Reparatur des Dachgebälks und aufwändigen Sicherungsmaßnahmen an der Decke sowie Trockenlegung des Mauerwerks und Erneuerung des Putzes erstrahlt das Gotteshaus wieder in neuem/altem Glanz.
Ein besonderes Schmuckstück ist auch die geschnitzte Kanzel, die von Amtmann Arnold Schwartz und seiner Frau gestiftet und 1616 von einem unbekannten Künstler geschaffen wurde. Die Kanzel wird getragen von einer reich verzierten Säule und zeigt in den fünf Eckpfosten die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes mit ihren jeweiligen Symbolen Engel, Löwe, Stier und Adler sowie rechts außen den Apostel Paulus. Dazwischen sieht man auf vier Feldern der Brüstung 1) eine von einem Engel gehaltene Schrifttafel, auf der Stifter und Stifterin der Kanzel genannt werden. 2) das Wappen des Stifters, 3) die Auferstehung Christi und die Jahreszahl 1616 und 4) das Wappen der Stifterin. Das herrliche Schnitzwerk sollte man sich aus der Nähe ansehen.
Beachtenswert ist auch der aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts stammende Kruzifixus, der bei der Renovierung 1960/61 hinter dem Altar aufgerichtet wurde. Der Kreuztitel, üblicherweise in lateinischer Sprache INRI, ist hier auch auf Hebräisch und Griechisch wiedergegeben. Vor der Renovierung von 1928 befand sich der Gekreuzigte an der linken Längsseite, nach 1928 hing er an der Stirnseite rechts neben dem Chor.( – damals noch mit der einfachen Aufschrift INRI).
Ein weiterer Blickfang ist die Orgel mit ihrem barocken Prospekt von 1781 auf der Nordempore über dem Haupteingang. Dort steht sich seit 1961.
Die Frage, wo in einer evangelischen Predigtkirche der richtig Platz für die Orgel sei, wurde unterschiedlich beantwortet. Dier erste Orgel stellte man 1621 im Chorraum auf. 1662 wurde sie dann auf die gegenüber hängende Nordempore versetzt. Dort blieb sie bis 1781, als man ein neue größere Orgel anschaffte und die alte nach Rodenbach bei Altenstadt verkaufte, wo sie heute noch steht. Die neue zweite Orgel stand ebenfalls auf der Nordempore bis 1927. Bei der großen Renovierung von 1928 kam sie auf eine im Chorraum eingefügte Zwischendecke hoch über Altar und Kanzel. Der Chor wurde durch eine mit den Symbolen der vier Evangelisten bemalte Bretterwand abgeteilt und bildete die Sakristei. Zu beiden Seiten dieser zweiten Orgel standen Bänke, die für die Konfirmanden bestimmt waren. Der Zugang war auf der linken Seite vom Treppenturm aus. Die Tür in halber Höhe führt heute ins Leere.
1935 kam die dritte Orgel. In das barocke Gehäuse wurde an gleicher Stelle eine neue Orgel eingebaut, und an der Seite fügte man große hölzerne Pfeifen an. Für Bänke war dann neben der Orgel kein Platz mehr. Der Spieltisch wurde auf die linke Seitenempore versetzt. Dies blieb unverändert bis 1960.
Es folgte wieder eine große Kirchenrenovierung. Die Bretterwand wurde beseitigt und der Chorraum freigelegt. Der alte Orgelprospekt kam wieder auf die Nordempore, wo 1961 auch die neue, die vierte Orgel aufgebaut wurde. Dort steht sie noch heute. Leider klingt sie nicht mehr so, wie man sich das wünscht. Eine fünfte Orgel ist daher in Planung.
Verfasser: Gerhard Erk, Nidda im Januar 2011
(vergl. auch teilw. Marquardts Kirchenführer von 1998)